Finnland hält auch nach der langen Zeit immer noch Überraschungen für bereit. Vor ein paar Tagen mieteten wir uns mal wieder einen Stellplatz auf einem Campingplatz, der für finnische Verhältnisse sehr leer war. Zunächst. Wir wunderten uns etwas über die vielen Klamotten, die überall rumhingen, die eher hostelartigen Einrichtungen, die uns mehr an Asien als Finnland denken ließen, freuten uns aber über die Alpakas, die dort über den Platz liefen und den wunderschönen Sonnenuntergang am See.
Ok, die Asiatin, die sich neben der Entleerungsstation asiatische Musik auf Youtube anhörte und dabei eine Art bunte gestrickte Sturmmaske trug (mit Brille!), irritierte schon etwas. Die Dusche quitierten wir mit einem Grinsen. Ungewohnt, aber wir kennen Schlimmeres und schmutzig war sie ja auch irgendwie nicht. Nur...alt und kaputt trifft es vielleicht eher. Und plötzlich wurde es unruhig. Wir brauchten ne ganze Weile, bis wir verstanden, was da um uns herum vor sich ging und schauten uns neugierig um. Schon rief jemand: "Falang" und zeigte auf uns. Unglaublich: Thailänder, die hier zum Beerenpflücken eingeflogen werden und in der Sommersaison hier pflücken. Scheinbar auch in Schweden, insgesamt Tausende. Sie waren gut drauf, wir hatten eine Menge Spaß, aber ob sich das für sie lohnt?
Finnlands Wälder sind voller Beeren, angeblich um die 500.000 Tonnen wilder Beeren, von denen gerade mal 10% geerntet werden. Wir ernten auch, sobald wir mal welche sehen: allen voran Blaubeeren, aber auch Himbeeren und Moltebeeren. Letztere ist die teuerste Beere der Welt und wird hier im Supermarkt (kein Witz!) für 32€ pro Kilo verkauft. Verarbeitet bekommt man sie z.B. als Marmelade oder Likör. Lecker!
Die letzten Tage waren sehr ereignisreich, aber dennoch entspannend. Die finnische Seenplatte zeigt uns nochmal eine ganz andere Seite Finnlands: viel Landwirtschaft (v.a. Korn und Kartoffeln), idyllische Bauernhöfe, nette kleine Ortschaften mit wirklich schönen Holzkirchen, sehr netten Finnen und natürlich Wasser ohne Ende. Ich bekomme hier endlich meine erhofften stundenlangen Sonnenuntergänge am See, einfach weil sie wieder untergeht. Wir haben, seitdem wir den Polarkreis überquert haben, wieder richtige Nächte und es schläft sich doch besser, wenn es dunkel ist.
Im Seitseminen Nationalpark gibt es einen Museumsbauernhof, der aber, wie so vieles hier, schon geschlossen hatte. Wir hatten jedoch Glück, weil wir Hermanni, einen Mitarbeiter des Nationalparks kennengelernt haben, der uns ziemlich viel über die finnischen Nationalparks, politische Interessen, Geschichte und natürlich die Besonderheiten dieses Hofes erklärte. In dem Zug lernten wir gleich noch die Herstellung von Holzteer kennen und bekamen ein Fläschchen davon als Geschenk mit. Das Zeug... ich weiß nicht, ob ich "stinkt" sagen soll. Es riecht wie der Rauch eines Lagerfeuers. Oder geräucherter Schinken. Terva nennt es sich und wird heute noch ab und an in Kosmetikartikel (Shampoo, Saunaöl o.ä.) verarbeitet. Früher wurde er zum abdichten von Holzbooten oder Dächern verwenden und wohl auch zur Heilung von Hautkrankheiten. Es gibt sogar einen Likör namens Terva, der wohl wie flüssiger Rauchschinken schmeckt. Wir haben ihn noch nicht probiert. Den reinen Holzteer haben wir nun doppelt und dreifach verpackt und sind gespannt, was wir damit machen werden. Hermanni meinte, wir können ihn auch zum Kochen verwenden.
Ein Thema noch, was hier in Finnland sehr präsent ist: die Zeiten des zweiten Weltkriegs. Hier in Finnland spricht man von 3 Kriegen, bei denen deutsche Soldaten mal Verbündete, mal Feinde waren und das spiegelt sich hier auch an vielen Orten wieder. Wir durften schon deutsche Schützengräben begutachten, immermal wieder sieht man ausgestelltes Kriegsgerät in Ortschaften, an jeder Kirche findet man wirklich schöne gepflegte Soldatenfriedhöfe und es gibt sogar eigene Friedhöfe deutscher Soldaten, die von den Finnen sehr Ehren gehalten werden. Dagegen liest man oft von Zerstörungen beim Rückzug der Deutschen im Lapplandkrieg, wo ganze Städte niedergebrannt wurden. Und natürlich wird man, sobald man sich als Deutscher zu erkennen gibt, auch auf die Kriegsgeschichte angesprochen.